Mittwoch, 1. November 2017

Welche Nahrungsmittel beeinflussen das Risiko für einen Diabetes mellitus Typ 2?


Sind bestimmte Ernährungsgewohnheiten mit einem erhöhten Diabetes-Risiko verbunden?



Gibt es Nahrungsmittel, die langfristig das Diabetes-Risiko vermindern?


Vermindert eine gesunde Ernährungsweise das Diabetes-Risiko? Oder umgekehrt, wie stark erhöht eine ungesunde Ernährungsweise das Risiko für einen Diabetes mellitus Typ 2?


Der Lebensstil hat einen großen Einfluss auf die Entwicklung eines Diabetes mellitus Typ 2. Von großer Bedeutung sind Bewegungsmangel bzw. körperliche Inaktivität, Ernährungsfehler, Rauchen und Alkoholkonsum. Epidemiologische Studien haben gezeigt, dass Adipositas der wichtigste Risikofaktor für einen Typ-2-Diabetes ist. Fast 90 % der diabetischen Patienten entwickeln einen Diabetes aufgrund von Übergewicht (Wu 2014). 


Für ein Ernährungsverhalten, das durch eine hohe Fettaufnahme, einen hohen glykämischen Index und durch eine niedrige Ballaststoffaufnahme charakterisiert ist, konnte in Studien ein hohes Typ-2-Diabetes-Risiko dokumentiert werden (Pastorino 2016).

 

Welchen Beitrag leistet eine gesunde Ernährung?

In einer systematischen Übersichtsarbeit wurden die Daten von 10 Studien mit zusammen 404.528 Teilnehmern ausgewertet. Den Daten zufolge kann eine "gesunde" Ernährung mit Gemüse, Obst und Vollkorn das Diabetes-Risiko um 14 % senken. Der Verzehr von größeren Mengen an rotem und verarbeitetem Fleisch, fettreichen Milchprodukten und Auszugsmehl als Merkmale einer "ungesunden" Ernährungsweise erhöht das Diabetesrisiko um 30% (Maghsoudi 2016).
Weitere Studien bestätigen diese Ergebnisse im Wesentlichen (McEvoy 2014, Esposito 2014).

 

Wie stark vermindert eine Diät das Diabetes-Risiko?

Die Ergebnisse einer Metaanalyse bestätigen, dass verschiedene gesunde Diäten alle etwa gleichermaßen und konsistent mit einem um 20 % reduzierten Risiko für einen zukünftigen Typ-2-Diabetes assoziiert sind (Esposito 2014). Zu diesen „gesunden“ Diäten zählen u.a. die Mediterrane- und die DASH-Diät (Dietary Approaches to Stop Hypertension).

 

Verminderung der Säurebelastung durch die Ernährung

In einer großen Kohortenstudie wurde geprüft, ob ein Zusammenhang zwischen der Säurebelastung über die Ernährung und dem Risiko an einem Diabetes mellitus zu erkranken existiert. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass eine hohe diätabhängige Säurebelastung mit einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes einhergeht.

In einer Analyse der Ernährungsdaten von 187.486 Personen zeigte sich, dass Personen im höchsten Quartil der PRAL-Werte im Vergleich zum niedrigsten Quartil ein um 29 % höheres Risiko haben, an einem Diabetes mellitus zu erkranken (Kiefte-de Jong 2017). Der PRAL-Wert (potential renal acid load) ist ein Maß für die Säurelast, die die Niere ggf. abpuffern muss, um den Säure-Basen-Haushalt des Körpers stabil zu halten. Die Lebensmittel, die am meisten zur Freisetzung von Säuren in den Blutkreislauf beitragen sind, Fleisch (Rind, Schwein oder Geflügel), Fisch, Eier, Milchprodukte und Nüsse. Die Lebensmittel, die hingegen am meisten zur Freisetzung von Basen beitragen und damit einen Säureüberschuss neutralisieren können, sind Früchte und Gemüse. Je negativer der PRAL-Wert ist, desto alkalischer ist das Essen. Positive Werte bedeuten einen Säureüberschuss für den Körper.

Bereits in einer Studie von Fagherazzi und Mitarbeitern (Fagherazzi 2014), in die insgesamt 66.485 Frauen (Durchschnittsalter: 50 Jahre) eingeschlossen waren, wurde festgestellt, dass hohe PRAL-Werte mit einem höheren Diabetes-mellitus-Risiko einhergehen und zwar unabhängig von Kohlenhydrataufnahme und der Familienanamnese in Bezug auf den Diabetes (Fagherazzi 2014).

Eine Querschnittsstudie von Akter und Mitarbeitern (Akter 2016) kommt zu dem Ergebnis, dass hohe PRAL-Werte mit dem Auftreten einer Insulinresistenz (einer möglichen Vorstufe des Diabetes) verbunden waren. In einer weiteren Untersuchung mit 64.660 Teilnehmern wurde bei Männern (nicht jedoch bei Frauen) ein positiver Zusammenhang zwischen den aus Ernährungsprotokollen berechneten PRAL-Werten und dem Risiko von Diabetes mellitus beobachtet (Akter, S.; Kurotani 2016).

 

Vegetarische Ernährung

Eine große amerikanische Studie mit 41.387 Teilnehmern kommt zu dem Ergebnis, dass eine vegetarische Ernährung (vegan, lacto- ovo-, semi-) mit einer erheblichen Reduktion der Inzidenz von Diabetes assoziiert war. Bei veganer Ernährung lag die Risikominderung im Vergleich zu Personen, die sich nicht-vegetarisch ernährt hatten bei 61 %. Bei Ovo-Lacto-Vegetariern war das Risiko um 38 % reduziert (Tonstad 2013).

 

Fleisch

Ein hoher Fleischkonsum ist mit einem erhöhten Diabetes-Risiko verbunden. Pro 100 g täglicher Fleischzufuhr erhöht sich das Risiko um 15 % im Vergleich zu Personen, die kein Fleisch essen; für (unverarbeitetes) rotes Fleisch liegt die Risikozunahme bei 13 %, für Geflügel bei 4 %. Pro 50 g verarbeitetem Fleisch (u.a. Wurst, Schinken) steigt das Risiko um 32 %. Demnach stellt besonders eine hohe Zufuhr von verarbeiteten Fleischprodukten ein Risikofaktor für den Typ-2-Diabetes dar (Feskens 2013).

 

Alkohol

Zwei Metaanalysen aus 20 bzw. 15 Studien (Baliunas 2009, Koppes 2010), weisen darauf hin, dass ein regelmäßiger Alkoholkonsum einen Schutzfaktor für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes darstellen könnte, wenn Alkohol in moderaten Mengen konsumiert wird. Diese Risikominderung gilt im Vergleich mit Personen, die lebenslang alkoholabstinent waren oder im Vergleich zu Personen mit einem übermäßigen Alkoholkonsum (>60 g/Tag bei Männern und >50 g/Tag bei Frauen).

Obwohl nicht alle Studien, so wurde doch in mehreren randomisierten klinischen Studien eine signifikante Schutzwirkung von moderatem Alkoholkonsum, vor allem in Form von Rotwein, gegenüber der Entstehung einer Insulinresistenz beobachtet.

 

Kaffee

Hoher gewohnheitsmäßiger Kaffeekonsum ist mit einem verminderten Risiko für Typ-2-Diabetes verbunden. In einer weiteren Studie wurde geprüft, ob auch ein geringer oder mäßiger Kaffeekonsum das Diabetes-Risiko beeinflusst (van Dam 2006). Zudem wurde geprüft, ob die Wirkung von Kaffee auf den Koffeingehalt oder andere Inhaltsstoffe zurückzuführen ist. Bei der „Nurses 'Health Study II“ handelte es sich um eine prospektive Kohortenstudie mit 88.259 US-amerikanischen Frauen im Alter von 26-46 Jahren ohne Diabetes-Vorgeschichte zu Studienbeginn.
Ergebnisse: Personen, die eine Tasse Kaffee pro Tag tranken hatten eine um 13 % geringeres Diabetes-Risiko im Vergleich zu Nicht-Kaffeetrinkern. Bei zwei bis drei Tassen Kaffee war das Risiko um 42 % verringert und bei mehr als 4 Tassen Kaffee pro Tag lag das Risiko an einem Diabetes zu erkranken um 47 % niedriger als bei Nicht-Kaffeetrinkern. Der Zusammenhang war ähnlich für koffeinhaltigen und entkoffeinierten Kaffee. Auch für filtrierten Kaffee und Instant-Kaffee zeigten sich ähnliche Ergebnisse. Der Teekonsum war nicht wesentlich mit dem Risiko von Typ-2-Diabetes assoziiert.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass ein moderater Konsum sowohl von koffeinhaltigem als auch entkoffeiniertem Kaffee das Risiko für Typ-2-Diabetes bei Frauen senken kann. Andere Kaffeebestandteile als Koffein sind wahrscheinlich für die Schutzwirkung verantwortlich (van Dam 2006).

 

Obst

Die Ergebnisse verschiedener Studien legen nahe, dass es große Unterschiede zwischen dem individuellen Obstkonsum und dem Risiko von Typ-2-Diabetes gibt. Ein höherer Verzehr von z.B. Blaubeeren, Trauben und Äpfel ist mit einem signifikant geringeren Risiko für Typ-2-Diabetes assoziiert, während ein höherer Fruchtsaftkonsum mit einem höheren Risiko verbunden ist (Muraki 2013).

 

Kartoffeln und Pommes frites

Der höhere Verzehr von Kartoffeln, insbesondere Pommes frites, war unabhängig vom Body-Mass-Index (BMI) und anderen Risikofaktoren mit einem höheren Typ-2-Diabetes-Risiko verbunden. Der Ersatz von Kartoffeln durch Vollkorn war mit einem niedrigeren Diabetes-Risiko verbunden (Murak 2016).

 

Weißer Reis

In einer Metaanalyse aus vier Studien kommen die Autoren zu dem Schluss, dass ein höherer Verzehr von weißem Reis ist mit einem signifikant erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes verbunden ist (Hu 2012).

 

Vollkorn

Mehrere Studien haben eine schützende Wirkung der Aufnahme von Vollkorn auf Typ-2-Diabetes-Risiko dokumentiert (Liu 2000). Eine Metaanalyse bestätigt diese Befunde und beobachtete darüber hinaus eine fehlende Schutzwirkung für verarbeitetes Getreide (Aune 2013). Die Risikominderung wurde für unterschiedliche Formen von Vollkorn ermittelt, einschließlich Vollkornbrot, Vollkorngetreide, Weizenkleie und Naturreis. Diese Untersuchung bestätigte das erhöhte Diabetes-Risiko bei bevorzugtem Verzehr von weißem Reis. Die Ergebnisse legen nahe, dass eine hohe Vollkornaufnahme mit einem reduzierten Typ-2-Diabetes-Risiko einhergeht. Zudem unterstützen die Untersuchungsergebnisse die Empfehlung raffiniertes Getreide durch Vollkornprodukte zu ersetzen. Dabei sollten mindestens zwei Portionen Vollkorn pro Tag konsumiert werden, um das Diabetesrisiko Typ 2 zu senken (Aune 2013). 



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Quellennachweis, Literatur

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2. Akter, S.; Kurotani, K.; Kashino, I.; Goto, A.; Mizoue, T.; Noda, M.; Sawada, N.; Tsugane, S. High Dietary Acid Load Score Is Associated with Increased Risk of Type 2 Diabetes in Japanese Men: The Japan Public Health Center-based Prospective Study. J. Nutr. 2016, 146, 1076–1083.
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